Was die neue GAFCON-Erklärung für Evangelikale bedeutet

Am 16. Oktober veröffentlichten die Leiter der Global Anglican Future Conference (GAFCON) eine Erklärung, die mit den eindrucksvollen Worten begann: „Die Zukunft ist da.“ Für viele außerhalb der anglikanischen Kirche mag dies wie interne Kirchenpolitik klingen. Die GAFCON hat sich nämlich nun endgült von Canterbury gelöst, nachdem eine liberale Bischöfin gewählt wurde. Aber die Erklärung steht für etwas viel Größeres: eine historische Neuordnung der Anglikanischen Gemeinschaft, die für den globalen Evangelikalismus von tiefgreifender Bedeutung ist.

Die Gospel Coalition liefert einige Hintergründe und bennennt die drei Punkte, die für die Zukunft der Anglikanische Kirche stehen: 

1. Neue Grundlage der Gemeinschaft

Die Erklärung besagt, dass die Anglikanische Gemeinschaft nun auf einer einzigen Grundlage beruhen wird: der Heiligen Schrift, „übersetzt, gelesen, gepredigt, gelehrt und befolgt in ihrem klaren und kanonischen Sinn“. Dies ist eine bewusste Anlehnung an das reformatorische Prinzip der sola Scriptura. Mit anderen Worten: Einheit wird nicht mehr durch Loyalität gegenüber Canterbury oder die Teilnahme an anglikanischen Institutionen definiert, sondern durch die Unterordnung unter die Heilige Schrift als Gottes Wort.

2. Ablehnung gescheiterter Instrumente

Die Erklärung nennt und lehnt die sogenannten „Instrumente der Gemeinschaft“ ab – den Erzbischof von Canterbury, die Lambeth-Konferenz, den Anglikanischen Konsultativrat und die Primatenversammlung. Warum? Weil sie es immer wieder versäumt haben, die biblische Wahrheit zu wahren, insbesondere nach der Lambeth-Resolution I.10 von 1998, in der bekräftigt wurde, dass die christliche Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen wird. Diese „Instrumente” waren einst hilfreich, sind aber inzwischen dem Revisionismus verfallen.

3. Rückkehr zum ursprünglichen Modell

Die Erklärung betont, dass GAFCON die Anglikanische Gemeinschaft nicht verlassen hat. Stattdessen beansprucht sie die ursprüngliche Vision: eine Gemeinschaft autonomer Provinzen, die durch das Evangelium und die Reformationsformeln vereint sind. So verstand die erste Lambeth-Konferenz 1867 den Anglikanismus, und so hielten die Mitgliedsprovinzen zusammen – bevor die sogenannten „Instrumente“ Canterbury zum sine qua non dessen machten, was es bedeutet, anglikanisch zu sein. Nun, so GAFCON, sei das Zentrum der Gemeinschaft nicht eine Person oder ein Amt, sondern das Wort Gottes.

Anstelle der alten „Instrumente” schlägt Gafcon einen Rat der Primas (Erzbischöfe) aus allen Provinzen vor, die die Jerusalem-Erklärung von 2008 bekräftigen, mit einem primus inter pares („Erster unter Gleichen”) als Vorsitzendem. 

Mehr hier: www.thegospelcoalition.org.

Flüchtige Aufmerksamkeit bei Online-Presse

An der LMU in München ist Neil Thurman als Professor für Kommunikationswissenschaft tätig. Er beschäftigt sich mit dem „Computational Journalism“, also mit der Wechselwirkung zwischen Journalismus, Technologie und Daten. Er analysiert global die Auswirkungen der Einstellung von Printausgaben durch Zeitungen und Magazine und hat herausgefunden, dass die Auflage digitaler Publikationen nicht sinken, aber definitv weniger gelesen wird. Außerdem orientieren sich Redaktion zunehmen an den Klicks. Geliefert werden also Themen, die großes Interesse finden. Klar, dass dabei viel unter den Tisch fällt. 

Zwei Zitate:

Die Aufmerksamkeit der Leser ist online viel flüchtiger – ein Klick hier, ein Wisch dort, und schon ist man wieder weg. Gedruckte Zeitungen dagegen verlangen mehr Hingabe: Man bezahlt für sie, hält sie in der Hand, blättert darin, bleibt einfach hängen. Ein typischer Printleser verbringt an Werktagen etwa eine halbe Stunde mit der Zeitung, am Wochenende oft eine ganze.Im Internet sieht das völlig anders aus. Unsere Studie zeigte, dass ein durchschnittlicher Leser der Onlineausgabe des Independent nur rund zehn Sekunden pro Tag mit ihr verbrachte – zehn Sekunden! Und während etwa die Hälfte der Printleser des Independent jeden Tag ihre Zeitung kaufte, besuchte der durchschnittliche Nutzende online dieselbe Nachrichtenseite nur zweimal im Monat.

Online können Redaktionen zudem ganz genau sehen, welche Artikel gelesen werden. Dieses Feedback beeinflusst, was geschrieben wird und wie; häufig entstehen dadurch mehr Human-Interest-Geschichten, Lifestyle-Themen oder visuell reizvolle Formate. Der Independent etwa produziert heute deutlich mehr Videos als früher. Auch die taz wird sich wohl in eine solche Richtung entwickeln – hin zu mehr Visualität, Interaktivität und datenbasiertem Journalismus.

Hier das hochinteressant Interview: www.lmu.de.

Wenn empirische Forschung Theologie ersetzt

Henrik Mohn und Michael Pieper berichten in der aktuellen IDEA-Ausgabe von der Fachtagung „Sexualität und Glaube“, auf der die hier schon erwähnte Sexualitätsstudie vorgestellt wurde. 

Ein Auszug:

In der Praxis zeigt sich, wie tief dieser Wandel reicht. Auf der begleitenden Fachtagung „Sexualität und Glaube“ an der CVJM-Hochschule fehlte jeglicher geistliche Rahmen – kein Gebet, keine Andacht, kein Segen. Stattdessen wurde darüber diskutiert, dass die Klitoris ein Gottesbeweis sei, da ihre einzige Funktion die Lust sei – theologisch entgrenzt, biblisch entleert. Das Vaterbild Gottes wurde problematisiert, die biblische Binarität von Mann und Frau relativiert.

Und in einem Workshop erklärte ein SCM-Verlagsvertreter offen, man müsse die Gemeinden dazu bringen, in der „Frage der Homosexualität“ liberaler zu werden. Das ist mehr als nur ein wissenschaftliches Forschungsprojekt. Es ist ein theologisches Programm, das auf eine Uminterpretation zentraler biblischer Wahrheiten abzielt – mitten im evangelikalen Raum. Ehemals bibeltreue Institutionen verlieren ihre Ausrichtung, indem sie die Bibel nicht mehr als objektive Offenbarung verstehen, sondern als subjektiv erfahrbare Stimme unter vielen.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.idea.de.

Gott auf dem Feld

Die FAZ veröffentlichte am 12. Oktober den Artikel „Gott auf dem Feld“ von Daniel Theweleit. Darin wird vor den Gefahren gewarnt, die von Fußballspielern wie Felix Nmecha ausgehen. Sie bekennen nämlich ihren christlichen Glauben mutig in der Öffentlichkeit.

Der Artikel erweckt zwar auf den ersten Blick den Eindruck, sachlich zu sein. Nach dem Motto: Warum fällt es uns so schwer, zu akzeptieren, dass Fußballer ihren Glauben bekennen? Aber tatsächlich ist der Beitrag ein Beleg für den Niedergang des seriösen Journalismus. So wird Felix Nmecha Homophobie unterstellt und indirekt vorgeworfen, durch seinen offenen Umgang mit dem Glauben die AfD stark zu machen. Und na klar: „Ein Merkmal ist für die allermeisten Evangelikalen typisch, … es gibt ein ganz klares binäres Geschlechtermodell.“ Das muss man sich mal vorstellen. Menschen, die meinen, es gibt nur zwei Geschlechter, werden als Problemfall für die Gesellschaft hingestellt. 

Besonders schlimm finde ich folgenden Abschnitt:  

Klar ist, dass Nmecha Kontakt zu wichtigen Leuten hat, die die evangelikale Bewegung aus den USA nach Europa transportieren wollen und dazu die sogenannte Awakening Church gegründet haben. Nach dem Champions-League-Finale 2024, das Nmecha mit dem BVB gegen Real Madrid bestritt, postete der ehemalige Fußballprofi und heutige Aktivist John Bostock auf Instagram ein Bild des Dortmunder Mittelfeldspielers im Stadion, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „I belong to Jesus“ trägt. Weitere Fotos zeigen, dass Bostock von Ben Fitzgerald zu dem Spiel begleitet wurde, der nach eigener Aussage von Gott damit beauftragt wurde, den evangelikalen Glauben mit Hilfe der Awakening Church in Europa größer zu machen. „Es ist schwer vorstellbar, dass Felix Nmecha nichts mit der Spitze der Filiale zu tun hat“, sagt Jobst Paul vor dem Hintergrund dieser Verbindungen. Bostock betreibt den Podcast „Ballers in God“ und bezeichnet den deutschen Nationalspieler in einem Interview mit der englischen „Sun“ als „einen von unseren Ballers in God“. Nmecha selbst wirbt zwar nicht explizit für die Awakening Church, als Testimonial für den Glauben ist er aber schon unterwegs: In einem Youtube-Kanal des gemeinnützigen und überkonfessionellen Vereins „Fußball mit Vision“ sagt er, untermalt von sphärischen Klängen: „Dort ist so viel Frieden, Freude und Wahrheit in Jesus. Ich ermutige die Menschen einfach, einen Schritt zu wagen, denn wenn Sie das einmal erlebt haben, wird Ihr Leben nie wieder dasselbe sein. So bin ich zu Christus gekommen.“

Also: John Bostock hat ein Fußballspiel zwischen dem BVB und Real Madrid besucht und ein Foto von Felix Nmecha auf Instagram gepostet. Ben Fitzgerald von der Bethel Church bzw. Awakening Europe war auch dabei. Deshalb ist es schwer vorstellbar, dass Felix Nmecha nicht zur Spitze der Filiale von Awakening Europe gehört. Dies umso mehr, als er in einem Video des Vereins „Fußball mit Vision“ gesagt hat, dass in Jesus Frieden, Freude und Wahrheit zu finden ist. 

So die Argumentationskette. Da ist so viel falsch. Bethel steht nun gerade nicht für die evangelikale Bewegung. Nur weil ein paar Leute gleichzeitig ein Fußballspiel besucht haben, bedeutet das nicht, dass sie im engen Kontakt stehen. „Fußball mit Vision“ ist sicher kein Produkt der Bethel Church. 

Das erinnert mehr an eine Hexenjagd als an Journalismus. Sehr schade, dass die FAZ so etwas durchgehen lässt.

Schreibt freundliche, aber klare Leserbriefe! 

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Philosoph Jürgen Habermas warnt vor Verflachung der christlichen Glaubensgehalte

In einem aktuellen Beitrag sagt Jürgen Habermas, dass unklare Theologien die Grundlagen des Glaubens in Frage stellen. Die Kirchen sollten daher weiterhin die Transzendenz betonen. Die FAZ meldet:

Das wäre dann aber nur noch eine Religion in Anführungszeichen, stellt Jürgen Habermas fest, indem er den Begriff der Religion in Anführungszeichen setzt. In einer Festschrift für den Frankfurter Religionsphilosophen Thomas Schmidt („Den Diskurs bestreiten“, Nomos Verlag 2025) nennt Habermas ein Religionsverständnis „paradox“, das seine Glaubensinhalte einklammert, suspendiert, für obsolet erachtet und es statt dessen [sic] bei einer zuversichtlichen Lebensweise bewenden lässt, die sich aus welchen Hoffnungen auch immer speist. Habermas markiert hier einen langjährigen „Dissens“ mit seinem Schüler Schmidt, der selbst dann noch von einer „religiösen Glaubenspraxis“ spreche, wenn es sich um eine „auf die Immanenz zurückgelenkte Glaubenseinstellung“ handele, bei der es „nicht mehr auf die Glückseligkeit einer alles Innerweltliche transzendierenden Erfüllung“ ankomme.

Für Habermas steht hier die „Konsistenz“ des Religionsbegriffs auf dem Spiel, wenn einer „von Jenseitshoffnungen und Erlösungsvorstellungen Abschied nehmenden“ allgemein menschlichen Zuversicht noch der Status christlicher Hoffnung eingeräumt wird. Nach seinem religionsphilosophischen Werk „Auch eine Geschichte der Philosophie“ leistet er sich nun gleichsam aperçuhaft einen Affront gegen den theologisch vorherrschenden funktionalen Religionsbegriff, wie er weitgehend auch die christliche Verkündigung bestimmt, wenn Glaubensinhalte auf ihre anthropologischen Plausibilitäten zurückgeschnitten werden und dabei „inhaltlich merkwürdig unbestimmt“ bleiben.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net. Die Festschrift für Thomas Schmidt, die das Grußwort von Habermas enthält, kann hier heruntergeladen werden: www.nomos-shop.de.

Erste Kritik an der Studie „Glaube und Sexualität“

Wie hier bereits berichtet, hat das Institut empirica, das zur CVJM-Hochschule gehört, eine nichtrepräsentative Sexualitätsstudie veröffentlicht, die von der Stiftung Christlicher Medien (SCM) veröffentlicht wurde. Thomas Kleine, Geschäftführer der Christliche Verlagsgesellschaft hat auf einen tiefgreifenden Mangel der Studie verwiesen, wie die Nachrichten Agentur IDEA berichtet: 

Das Ganze wirkt zunächst empathisch und reflektiert, verliert aber jeden normativen Maßstab: Weg von der Autorität der Bibel, hin zu einem pluralistischen, erfahrungsorientierten Zugang. Im quantitativen Band „Sexualität und Glaube“ werden Daten von über 10.000 Teilnehmern ausgewertet. Die Ergebnisse sind statistisch interessant, doch die Interpretation erfolgt fast durchgängig aus liberaler und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Moralische Kategorien werden relativiert, biblische Ethik als „kulturell bedingt“ verstanden. Damit verschiebt sich die Grundlage: Nicht mehr das Wort Gottes richtet über menschliche Erfahrungen, sondern menschliche Erfahrungen richten über das Wort Gottes. Beide Bücher eint der Versuch, „Dialogräume“ zu öffnen – was in sich nicht falsch wäre, wenn das biblische Zeugnis den Rahmen setzen würde.

Henrik Mohn beklagt außerdem, dass in der Studie Sexualität wird enttheologisiert wird:

Die Bücher sind ein Spiegel des theologischen Zeitgeists – und zugleich ein Warnsignal, wie weit der Evangelikalismus sich von seiner Grundlage entfernen kann, wenn das Schriftprinzip aufgegeben wird. Diese Bücher eignen sich darum höchstens für diejenigen, die das Denken der progressiv-evangelikalen Szene verstehen und analysieren möchten. Für Christen, die Orientierung aus der Schrift suchen, sind sie eher verwirrend.

Ich hoffe sehr, dass hier auch Institutionen nachziehen und sich scharf distanzieren. Mit evangelikaler Theologie das ganze Projekt nichts mehr zu tun. Außerdem würde ich mich sehr freuen, wenn sich Statistiker und Soziologen mit dem Design der Studie gründlich beschäftigen würden.

Mehr: www.idea.de.

Eine unbequeme Wahrheit

In der ehemals konservativen FAZ übernimmt Elisabeth Fleschutz das soziale Vorstellungsschema des therapeutischen Individualismus in Bezug auf das Ausleben von Sexualität (vgl. dazu hier). Sie wirbt für mehr Offenheit im Blick auf Menschen, die ihre eigene sexuelle Identität durch eine heterosexuelle Be­ziehung überdecken. Helfen könnten, so die Autorin, Paarbeziehungen, die sich für darüber hinausgehende sexuelle Erfahrungen öffnen:

Hier zeigt sich vielleicht eine unbequeme Wahrheit, die wohl für die meisten Liebesbeziehungen gilt: dass sich die gesamte Sexualität für viele Menschen selten ausschließlich in einer einzigen Beziehung entfalten kann. Es mag diese Erwartung geben, aber dieser hohe Anspruch von Perfektion ohne Kompromisse werde laut dem Sexualtherapeuten in der Realität kaum erfüllt, und zwar ganz unabhängig von der sexuellen Orientierung. Oft gehe es gar nicht darum, die Beziehung infrage zu stellen, sondern „darum, sich ganz als ganze Person zeigen zu dürfen“. Auch mit den Anteilen, die nicht in die klassische Paarform passen.

Es könnte sein, dass diese Fehleinschätzung auch mit dem Freundeskreis der Autorin zusammenhängt: Denn: „Fast alle meine Freundinnen fühlen sich wie Hochstaplerinnen – in ihrem Liebesleben. Denn fast alle sind in Beziehungen mit Männern, fast alle sind aber bisexuell. Was steckt dahinter?“

Ich halte dagegen: Die (gar nicht mal so unbequeme) Wahrheit lautet: Sexuelle Schönhheit und Vertrautheit kann sich nur in einer langfristigen und verbindlichen Beziehung entwickeln. Wer das Thema vertiefen möchte, lese das Booklet Schönheit und Relevanz.

Den Artikel von Elisabeth Fleschutz gibt es hier (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Faszination frühe Christen

 

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Roland Werner legt in seinem Buch Faszination frühe Christen dar, welche Faktoren das Leben in den antiken christlichen Gemeinden prägten. Er knüpft an frühe christliche Quellen und biblische Zeugnisse an und hebt hervor, dass es den Anhängern Jesu zu jener Zeit gelungen ist, eine Gegenkultur zu entwerfen. Mein Kollege Wolfgang Häde hat das Buch gelesen und eine nützliche Rezension geschrieben.

Er äußert darin:

Den großen Verdienst von Roland Werners Buch sehe ich darin, evangelikalen Christen Geschmack auf mehr aus den frühen christlichen und anderen frühen Quellen zu machen. Es gibt durchaus Christen, die in ihrer Praxis die lesenswerten Bücher nach der Bibel im besseren Fall in der Reformationszeit beginnen lassen, im schlechteren Fall da, wo die eigene Gemeindeströmung ihren Ursprung nahm – manchmal erst vor fünfzig, zwanzig oder nur fünf Jahren.

Der Autor greift auch nicht nur einzelne Belegstellen für seine Thesen heraus, sondern lässt frühe Schriften bisweilen ausführlich zu Wort kommen, wie etwa die „Didache“, Plinius, Clemens von Rom oder den „Brief an Diognet“. Da entstehen tatsächlich faszinierende Einblicke in die Welt der frühen Christen.

Es gelingt Roland Werner, bei wichtigen Themen den Bogen zu spannen von den biblischen Worten hin zu den Zeugnissen über die nachbiblische Praxis der Christen. Da erkennen wir dann beispielsweise, dass der Dienst an anderen Christen nicht nur von Jesus vorgegeben und von den Aposteln angeordnet wurde. Die frühen Christen erregten tatsächlich auch in den Jahrhunderten danach durch ihre Hingabe im Dienst füreinander und auch für Nichtchristen Aufsehen, bis hin zum Dienst an Pestkranken, der manchen Christen das eigene Leben kostete.

Roland Werner zeigt, dass die Christen gleichzeitig durch eine klar von der übrigen Gesellschaft unterscheidbare Ethik und durch ihren selbstlosen Dienst auffielen. Ein Fingerzeig für uns Christen heute!

Der gute Wunsch, das Gesamtbild darzustellen, führt allerdings an einigen Stellen dazu, dass der Unterschied zwischen dem biblischen Zeugnis und dem Leben bzw. der Lehre der Christen in den Jahrhunderten danach nicht immer klar herausgestellt wird.

Mehr: www.evangelium21.net.

Zeitgemäße Sexualethik fördern?

Ich hatte ja schon mehrmals den Verdacht, dass die Studien des Forschungsinstituts empirica interessengeleitet sind. Wenn ich den IDEA-Artikel zur Studie „Glaube und Sexualität“ richtig verstehe, geht es genau darum: Die Studie soll eine zeitgemäße Sexualethik fördern:

Das Forschungsinstitut empirica erforscht seit 2006 christliche Lebenswelten und Lebensweisen. Leiter des Instituts ist der Rektor der CVJM Hochschule Kassel, Professor Tobias Faix, und der Professor für Öffentliche Theologie und Soziale Arbeit, Tobias Künkler. Mit der Studie wolle man die Gesprächskultur über Sexualität und eine „zeitgemäße Sexualethik fördern“, so die Studienmacher. So komme es darauf an, Schuld und Scham zu reduzieren und in Liturgie und Predigt Körperlichkeit und Sexualität positiv zu deuten. Zudem gehe es darum, die „Diversität in sexualethischen Überzeugungen anzuerkennen“ und die „Inklusivität für LGBTQ+-Personen zu stärken“.

Laut der Studie sind die Teilnehmer „deutlich jünger, weiblicher, queerer und religiöser“ als im Bevölkerungsschnitt. So seien „bisexuell und homosexuell orientierte Menschen deutlich überrepräsentiert“. 86 Prozent der Befragten erklärten, heterosexuell zu sein, 7 Prozent bisexuell, 6 Prozent homosexuell und 0,5 Prozent gaben „weder noch“ an.

Wenn das so ist, hat das mit wissenschaftlicher Arbeit oder seriöser Theologie wenig zu tun. Es handelt sich dann vielmehr um einen Versuch, den Zeitgeist in die Gemeinden hineinzulocken, quasi um eine Alfred Kinsey-Strategie für Evangelikale. Da sollten sich Christen nicht blenden lassen.

Mehr: www.idea.de.

Worüber redet die Evangelische Theologie?

Eve-Maria Becker (Universität Münster) nutzt die Diskussion um eine Vereinfachung des Theologiestudiums (vgl. hier), um zu fragen, worauf sich die Expertise evangelischer Theologen in Zukunft gründen möchte, wenn das exegetische Studium der Heiligen Schrift zurückgefahren werden soll (FAZ, 01.10.2025, Nr. 228, S. N3):

Aus Sicht der Bibelwissenschaften verdecken die gegenwärtigen Diskussionen um das Studienformat den inneren Kern der Kontroverse. Denn in der Sache geht es weniger um Studienmodelle als um die Frage, was künftig vom Studium der Evangelischen Theologie fachlich zu erwarten ist. Worauf soll sich die Expertise Evangelischer Theologen gründen? Auf welches Text- und Lesespektrum sollen ihre hermeneutischen Deutungskompetenzen so gerichtet sein, dass sie zum brennenden Thema des Gottes- und Glaubensverlustes oder zur Zukunft von christusglaubenden Gemeinschaften in gesellschaftlichen Minoritätssituationen sachgerecht Auskunft geben können? Diese und andere Herausforderungen sind wie kaum irgendwo sonst in den Texten der biblischen Literatur deutlich benannt und vorgeprägt. Der vertiefte Blick in die Bibel und ihre Ausleger wie Origenes, Hieronymus, Augustinus, Luther oder Schleiermacher führt in die Gegenwart theologischen Denkens und Arbeitens.

 

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